Finanz-Kennzahlen, die Unternehmer kennen sollten

Finanzen
Drei wichtige KPI aus dem Finanzbereich, die jeder Unternehmer verstehen und ermitteln sollte - vorgestellt und mit Anregungen für die praktische Umsetzung.
Dr. Axel Lüsse
Inh. von Lüsse Consulting

Der Themenbereich Finanzen und Buchhaltung ist gerade im Mittelstand bei Unternehmern und Geschäftsführern nicht unbedingt beliebt, was in einer gewissen Weise auch verständlich ist.

Oft wird die Buchhaltung ganz oder teilweise extern durch einen Buchhaltungsdienstleister oder ein Steuerbüro erledigt, wodurch eine gewisse Distanz und Intransparenz entstehen. Hinzu kommt, dass die Finanzzahlen oft erst 4-6 Wochen nach Monatsende vorliegen und daher von der Geschäftsführung als wenig aktuell und entscheidungsrelevant angesehen werden.

In Kombination mit dem zeitintensiven operativen Geschäft kann dies dazu führen, dass die finanziellen Aspekte des Unternehmens nie vollständig verstanden und hinterfragt werden.

Dabei sollte jeder Unternehmer ein Grundverständnis vom Finanzbereich und den Buchhaltungsprinzipien haben, selbst wenn ein kaufmännischer Leiter oder Controller im Unternehmen eingestellt ist. Denn die Finanzziele und die Finanz-Kennzahlen sind Chefsache und leiten sich aus den Wertzielen des Unternehmens ab.

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Um Unternehmer und Geschäftsführer bei der Auswahl, Ermittlung und Interpretation zu unterstützen, werden in diesem Artikel drei wichtige Kennzahlen für den Finanzbereich vorgestellt und Anregungen für die praktische Umsetzung gegeben.


Ziele und KPI im Finanzbereich


Für eine erfolgreiche Unternehmensführung stellen Kennzahlen bzw. KPI (key performance indicator) eine wichtige Quelle für entscheidungsrelevante Unternehmensinformationen dar. Letztendlich sollen diese Auskunft geben, wie der Erreichungsgrad relevanter Unternehmensziele ist. Damit sind der Erkenntnisgewinn und die mögliche Ableitung von Maßnahmen die Kernziele von Kennzahlen.

Es gibt eine Vielzahl an allgemeinen und spezifischen Kennzahlen für die unterschiedlichen Unternehmensbereiche, die teilweise in Kennzahlensystemen zusammengefasst werden. Das stellt Unternehmer vor die Herausforderung, die für sie relevanten Kennzahlen auszuwählen und im Unternehmen zu ermitteln.

Zumindest aus dem Jahresabschluss kennt wahrscheinlich jeder Unternehmer und Geschäftsführer drei Finanzberichte: die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) und die Kapitalfluss- bzw. Cashflow-Rechnung. Teilweise werden diese Berichte monatlich durch die BWA (betriebswirtschaftliche Auswertungen) zur Verfügung gestellt.

Letztendlich sind die wichtigen Aspekte im Finanzbereich gar nicht kompliziert, und es reicht ein solides Verständnis einiger Kernkonzepte, um die Finanz- und Ertragskraft Ihres Unternehmens erfolgreich zu steuern. Die folgenden drei Kennzahlen sollen dabei helfen.

1. Umsatzwachstum

Bei der Kennzahl Umsatzwachstum wird die Umsatzentwicklung über mehrere Perioden betrachtet. Über den mehrjährigen Wachstumstrend Ihres Unternehmens können Sie eine Erwartungshaltung bezüglich der Auswirkungen auf Ihren Finanzbereich ableiten.


Ermittlung des Umsatzwachstums

Umsatzwachstum = Umsatz der Periode / Umsatz der Vorperiode – 1

Das Umsatzwachstum lässt sich recht einfach berechnen und kann beispielsweise mit den Daten aus der Buchhaltung / BWA oder dem ERP-System erfolgen.

Interpretation des Umsatzwachstums

Grundsätzlich ist ein positives Umsatzwachstum ein gutes Zeichen. Aber es ist der Kontext zu beachten. Wenn Sie z.B. in den letzten Jahren immer 20%-30% im Umsatz gewachsen sind und aktuell nur noch 10%, ist es ratsam, diese Veränderung zu hinterfragen.
Gleiches gilt, wenn Sie zwar jährlich um 15% im Umsatz wachsen, aber wissen, dass Ihr Kundenmarkt jährlich um 25% wächst. Dann besteht die Gefahr, dass Sie trotz Umsatzwachstum Marktanteile und damit an Wettbewerbsstärke verlieren.


Praxistipp: 5 Jahrestrend betrachten


In unserer Beratungspraxis hat es sich bewährt, den Umsatzwachstumstrend über mindestens 5 Jahre zu betrachten. Um hierbei auch den Blick nach vorne zu haben, ist es empfehlenswert, den Umsatzplan des nächsten Jahres, die rollierende Forecastplanung des aktuellen Jahres und die letzten drei vergangenen Jahre zu berücksichtigen. So entwickeln Sie auch gleich eine Erwartungshaltung für Ihre Unternehmenszukunft.

2. Nettogewinnmarge

Die Nettogewinnmarge beschreibt als ein Rentabilitätsmaß wie profitabel Ihr Unternehmen ist und bildet damit die Ertragskraft ab. Sie ist eine prozentuale Kennzahl.

Ermittlung der Nettogewinnmarge

Nettogewinnmarge = Nettogewinn / Gesamtumsatz

Der „Nettogewinn“ ist eine andere Bezeichnung für den „Jahresüberschuss“, den Sie aus Ihrer Gewinn- und Verlustrechnung kennen. Er bildet Ihr Unternehmensergebnis auf Basis aller Erträge und Aufwendungen ab ohne Faktoren auszugrenzen, Anders ist dies z.B. bei dem „Betriebsergebnis“ bzw. „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ (EBIT: earnings before interest and taxes), wo das Finanzergebnis, außerordentliche Einflüsse und Steuerbelastungen nicht berücksichtigt werden. Der „Gesamtumsatz“ umfasst dabei alle Umsätze des Unternehmens.

Interpretation der Nettogewinnmarge

Die Nettogewinnmarge kann Ihnen helfen Ihr Gewinnrisiko einzuschätzen. Umso höher der Prozentsatz, umso besser können unter sonst gleichen Bedingungen beispielsweise Kostenerhöhungen getragen werden. Ähnlich wirken sich bei Umsatzeinbrüchen die Kostenskalierungseffekte weniger stark aus.

Bei der Auswertung können Ihre Erkenntnisse aus der Umsatzwachstumskennzahl hilfreich sein. Ein positives Umsatzwachstum sollte in den meisten Fällen Ihre Nettogewinnmarge unterstützen, da so Fixkostendegressionseffekte wirken können. Allerdings sollten Sie immer Sondereffekte in Ihrem Unternehmen bei der Interpretation im Auge behalten, da in dieser Kennzahl alle Unternehmenssachverhalte abgebildet werden.

Zur Einschätzung kann auch auf Branchenvergleichswerte oder Mitbewerberanalysen zurückgegriffen werden, falls diese Zahlen zugänglich sind.


Praxistipp: Kostenentwicklung über Kernunternehmensbereiche prüfen

Entspricht die Nettogewinnmarge nicht Ihren Erwartungen, kann eine erste Analyse der prozentualen Kostenentwicklung in den drei Kernunternehmensbereichen Wertschöpfung (Produkt- bzw. Dienstleistungserstellung), Vertrieb und Verwaltung hilfreich sein. Diese können dann in den Vergleich zur Umsatzwachstumskennzahl gesetzt werden.

Gerade den Bereichen Vertrieb und Verwaltung wird gerne ein Fixkostencharakter unterstellt, d.h. hier erwarten Unternehmer meist zunächst keine Kostensteigerung bei Umsatzwachstum. Positives Umsatzwachstum wird aber oft erst durch mehr Personal in diesen Bereichen ermöglicht und kann zu einer überproportionalen Kostensteigerung führen.

Für die Analyse ist es hilfreich, wenn Sie bereits Kostenstellen in Ihrem Unternehmen eingeführt haben. Dann können Sie diese den drei Kernunternehmensbereichen zuordnen und entsprechend die Kosten summieren. Die meisten Buchhaltungsprogramme haben spezielle Saldenauswertungen (bspw. Kostenartensalden), die die Kosten pro Kostenstelle ausweisen, die Sie dafür verwenden können.
Falls Sie keine Kostenstellen haben, können Sie versuchen Kostenpositionen über eine Abschätzung den Unternehmensbereichen zuzuordnen, um sich einen Eindruck zu verschaffen.

3. Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit

„Cash is king“ ist ein bekanntes Sprichwort und spiegelt die Liquiditätssicherung als wichtiges Ziel für jedes Unternehmen wider, da sonst die Insolvenz droht. Die Liquidität muss ausreichen, um jederzeit die fälligen Verbindlichkeiten erfüllen zu können.

Die Cashflow-Rechnung zeigt die Entwicklung der Liquidität und der Finanzkraft des Unternehmens auf, indem die Veränderungen der Zahlungsmittel (Kassenbestände, Schecks sowie Guthaben bei Kreditinstituten) durch Mittelzu- und -abflüsse aufgezeigt werden. Diese Zahlungsströme bzw. Cashflows werden danach unterschieden, ob sie aus der laufenden Geschäfts-, Investitions- oder Finanzierungstätigkeit entstehen.

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Als KPI für die Finanzkraft wird oft der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit vorgeschlagen.


Ermittlung des Cashflows aus der laufenden Geschäftstätigkeit


Der Cashflow kann nach der direkten und der indirekten Methode ermittelt werden. Die indirekte Methode wird meist in der externen Unternehmensanalyse gewählt, da hier nur veröffentlichte Unternehmenszahlen zur Verfügung stehen. Die direkte Methode kann angewendet werden, wenn Zugang zu detaillierten Daten der Finanzbuchhaltung besteht, wie es jedem Unternehmer möglich sein sollte.
Nach der direkten Methode wird der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit wie folgt ermittelt:

1. Einzahlungen von Kunden für den Verkauf von Erzeugnissen, Waren und Dienstleistungen
2. - Auszahlungen an Lieferanten und Beschäftigte
3. + Sonstige Einzahlungen, die nicht der Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind
4. - Sonstige Auszahlungen, die nicht der Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind
5. + / - Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten
6. = Cash Flow aus laufender Geschäftstätigkeit

Interpretation des Cashflows aus der laufenden Geschäftstätigkeit


Der Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit zeigt, wie viel Geld Sie mit Ihrem Unternehmen in einer bestimmten Periode durch Ihre gewöhnliche Geschäftstätigkeit erwirtschaften. Investitions- und Finanzierungstätigkeiten werden dabei nicht berücksichtigt.

Diese Kennzahl zeigt Ihnen also Ihre Innenfinanzierungskraft. Sie sollte daher auf jeden Fall einen positiven Wert aufweisen und so Ihrem Unternehmen liquide Mittel zuführen.
Im besten Fall ist der Betrag groß genug, um notwendige Investitionen zu tätigen und bestehenden Finanzierungen zu tilgen. Damit würden Sie sich für Ihr Unternehmenswachstum von einer Außenfinanzierung, und damit u.a. auch dem Finanzmarkt, unabhängig machen.

Für diese in die Zukunft gerichtete Einschätzung ist allerdings ein guter Finanzplan im Rahmen einer integrierten Unternehmensplanung notwendig.

Praxistipp: KPI aus der Summen- und Saldenliste selbst erstellen


Wenn Sie diese Kennzahl nicht von Ihrer Buchhaltung/Steuerberatung erhalten, können Sie sie mit etwas Erfahrung im Umgang mit Tabellenkalkulationsprogrammen auch selbst ermitteln. Dafür benötigen Sie die Summen- und Saldenlisten (SuSa) aus der Finanzbuchhaltung für den zu betrachtenden Berichtszeitraum. Anschließend können Sie die Konten dem jeweiligen Cashflow-Aspekt zuordnen, wobei die Verwendung einer Referenztabelle nützlich sein kann. Dabei ist es sinnvoll, auch den Wert mit dem entsprechenden Vorzeichen nach der direkten Methode zu erzeugen. Anschließend können Sie z.B. über eine Pivot-Tabelle die verschiedenen Cashflowgrößen abbilden und so die Kennzahlen ablesen.

Fazit: KPI unterstützen bei der Unternehmenssteuerung


Wenn Ihr Unternehmen sich mit einem positiven Umsatzwachstumstrend entwickelt, eine gute Nettogewinnmarge auf weist und kontinuierlich einen ausreichend positiven Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit erzeugt, sollten Sie zumindest im Finanzbereich Ihres Unternehmens eine solide Basis haben.

Diese Aspekte machen deutlich, warum man für die Unternehmenssteuerung diese KPI verstehen und beobachten sollte, Wie dargestellt, sind die Kennzahlen aber immer im unternehmensspezifischen Kontext zu betrachten und Sondereffekte zu berücksichtigen.

Bevor Sie die dargestellten KPI für Ihr Unternehmen auch unterjährig auf Basis Ihrer Buchhaltungsdaten betrachten, sollten Sie im Vorfeld deren Aussagekraft hinterfragen. Die Finanzbuchhaltung erfolgt primär gemäß der rechtlichen Erfordernissen nach Handels- und Steuerrecht und nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Teilweise können auch einige Buchungen erst im Jahresabschluss, wie bspw. Abschreibungen und Inventurbestände, getätigt werden, so dass eine betriebswirtschaftliche Beurteilung unterjährig nicht auf vollständigen Daten erfolgen kann. Es können Anpassungen in der Buchführung notwendig sein, um die gewünschten betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse ableiten zu können.

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